Evita
Gesangstexte von Tim Rice
Musik von Andrew Lloyd Webber
Inszenierung der Originalproduktion
von Harold Prince
Deutsch von Michael Kunze
Hure oder Heilige? An der Geschichte von »Evita« alias María Eva Duarte de Perón schieden und scheiden sich die Geister. Die junge Schauspielerin Eva Duarte stammt aus einfachen Verhältnissen, umgarnt den Militär und Präsidentschaftskandidaten Juan Perón und wird an seiner Seite zur First Lady Argentiniens. Sie setzt sich für das Frauenwahlrecht ein, gründet wohltätige Stiftungen – und ihr Plan geht auf: die Massen liegen ihr zu Füßen! Ihr früher Tod mit nur 33 Jahren lässt sie endgültig zur Legende werden.
Andrew Lloyd Webber und Tim Rice setzten der argentinischen Nationalheldin mit Evita und Hits wie »Wein‘ nicht um mich, Argentinien« 1976 ein Denkmal, das 1996 durch die Verfilmung mit Madonna neu belebt wurde und jetzt nach drei Jahrzehnten nach Kiel zurückkehrt.
Wiederaufnahme 3. Mai 2019
Spieldauer ca. 2 Stunden 15 Minuten (inkl. einer Pause)
Mit freundlicher Genehmigung von www.reallyuseful.com und www.musikundbuehne.de
Pressestimmen
Theater Kiel: Evita (08.12.2016)
"Don't cry for me Argentina" - Der Mythos Evita wird im Musical kritisch beleuchtet.
Romantik und Politik vermischen sich zum Sound der großen Hits.
Rasch verfliegend wie ein Rausch (10.12.2016)
Geschmeidig und stilistisch detailgenau abgestimmt prägt auch das Philharmonische Orchester, ergänzt durch etliche instrumentale Spezialisten und unter der souveränen Leitung des Kapellmeisters Whitney Reader, die Geschwindigkeit der Aufführung mit energischem musikalischem Drive. Ihm folgen auch die Chöre (Einstudierung: Lam Tran Dinh) mühelos und mit dem Schwung, den sie auch in den Tänzen auf die Bretter bringen – immer wieder Höhepunkte im kurzweiligen Bilderbogen. Denn spätestens seit Ricarda Ludigkeits Regiearbeit an „My Fair Lady“ weiß man in Kiel, dass die Choreografin auf der Bühne alle Beine in Rhythmus und Rage bringt.
Nicht die Titelfigur, sondern ihr Kontrahent Che wird auch in dieser Inszenierung zum entscheidenden Handlungsträger. Siegmar Tonk gibt der (historisch unkorrekt) dem Revolutionär und Guerillaführer Che Guevara nachempfundenen Gestalt so viel Profil an Ironie und lässigem Zweifel, dass aus ihr mehr wird als ein dramaturgisch raffiniert positionierter Gegenspieler. Tonks mit kesser Mimik eingestreuten Kommentare und seine augenzwinkernd formulierte bittere Kritik werfen nicht nur Schatten auf den zwielichtigen Glanz der Eva Perón, sie bewahren die gesamte Aufführung vor den Gefahren von Schwulst und weihevollem Weh.
Heike Wittlieb mit Gestaltungskraft und Reife
Denn die Besetzung der Protagonistin mit Heike Wittlieb bringt gewichtige Bedeutung in die Story. Hier liefert keine junge Nachwuchskraft ihre erste große Talentprobe. Hier beweist eine mit darstellerischer Versiertheit und stimmlicher Präsenz ausgestattete Kammersängerin ihre Gestaltungskraft und Reife. Ihre gekonnt gesetzten Mittel tendieren dahin, die legendäre Frauenfigur vollkommen glaubhaft zu machen. An ihrer Seite verkörpert Rudi Reschke einen um aufrichtige Anerkennung werbenden Peron, ohne die dunklen Aspekte des künftigen Diktators zu zeigen. Seine abgelegte Geliebte gibt Leoni Kristin Oeffinger als hübsches Leichtgewicht.
Ricarda Regina Ludigkeits szenischem Einfallsreichtum, ihren raumfüllenden Choreografien und der funkelnden musikalischen Präzision des Dirigenten Whitney Reader ist eine „Evita“-Aufführung zu verdanken, die rund und robust wirkt, die Pathos und Sentimentalitäten vermeidet und nach eher amüsanten als ergreifenden gut zweieinhalb Unterhaltungsstunden ihren gehörigen Premierenjubel im Kieler Opernhaus verdient hat.
Hure, Herrin, Heilige (10.12.2016)
... Die Kieler Kammersängerin Heike Wittlieb verkörpert die mal heißblütige, dann wieder kalkuliert gefühlskalte Aufsteigerin mit Verruchtheit und Würde, mit großem Einsatz und großer, wandelbarer Stimme. Ihre Partie ist ein Kraftakt. Ein Kraftakt wie auch das Leben der Eva Perón, die im Alter von 33 Jahren starb, als sie eigentlich alles erreicht hatte. Denn irgendwie ist sie »eine von Euch« geblieben, weshalb Argentinien nicht um sie weinen soll (Don't cry for me, Argentinia): Beeindruckend ist die Rede der charismatisch-dreisten Präsidentengattin vom Palastbalkon an das per Original-Projektion eingeblendete Volk. »Wie tief ist das Land gesunken«, hadert Handlungsvermittler Che, als er konstatieren muss, dass Evita mit 26 Jahren am Ziel ihres nur scheinbar märchenhaften Weges nach oben ist. Siegmar Tonk ist hörbar im Musicalfach zuhause, stimmlich wendig, hochpräsent und sympathisch im Auftritt. Argwöhnisch verfolgt sein Che mal aus der Distanz, mal aus unmittelbarer Nähe das Geschehen. So begleitet er auch die Verwandlungen der generösen Präsidentengattin (nicht zuletzt in der Kostümierung Gabriele Heimanns eindrucksvoll umgesetzt), auf ihrer berühmten »Regenbogentour« durch Europa.
Es ist irgendwie, als ob es immer so weitergehen müsste. Und doch kommt es anders. Rudi Reschke, als stimmgewaltiger, eher etwas steifer, populistischer Machthaber Juan Domingo Perón und Profiteur seiner umtriebigen Gattin, führt der gerade noch von den Kindern der Nation gefeierten »Santa Evita« vor Augen, dass ihre Kräfte endlich sind. »Mein Leben war wie ein Tanz, doch wie schnell erlosch der Glanz«, muss sie selbst geschwächt erkennen. ...
Kieler Nachrichten - Konrad Bockemühl