Flight of Fancy
Spieldauer: ca. 1 Stunde 40 Minuten, eine Pause
Unmögliches denken, sich in neue Räume vorwagen, Unbekanntes erforschen, Utopien zulassen, Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen, Grenzen hinterfragen – das alles vermag Tanz und insbesondere moderner Tanz. Um diesen Reichtum der internationalen Tanzszene zu zeigen, lädt das Ballett Kiel immer wieder renommierte Choreograf*innen ein, Werke von sich mit dem Kieler Ensemble zur Aufführung zu bringen. Diese Tradition setzt der Abend »Flight of Fancy« fort und lädt zu einem Höhenflug voller Fantasie ein.
Den ersten Teil des Doppelabends bestreitet die niederländische Choreografin Wubkje Kuindersma mit ihrem Stück »Resonance of Dreams«, das sie eigens für das Ballett Kiel schuf. Ihre Choreografie spielt mit der Idee, dass es auf der einen Seite eine Welt des physischen Körpers und auf der anderen Seite eine Welt der Träume gibt, und nimmt den Zuschauenden auf eine Reise der Seele von der einen in die andere Welt mit. Die musikalische Grundlage bilden Werke der beiden zeitgenössischen lettischen Komponisten Georgs Pelēcis und Pēteris Vasks sowie von Alfred Schnittke und Friedrich Heinrich Kern.
Ergänzt wird Kuindersmas Stück durch die Choreografie »Walking Mad« des schwedischen Choreografen Johan Inger, die 2001 vom Nederlands Dans Theater uraufgeführt wurde und seitdem bereits auf zahlreichen großen Bühnen zu sehen war. Zu Maurice Ravels »Bolero« und Arvo Pärts »Für Alina« entspinnt sich ein zunächst heiteres Beziehungsdrama, das die Abenteuer dreier Frauen, deren Beziehungen zu sich selbst und zu den Männern in ihrem Leben darstellt. Einziges Requisit ist dabei eine große, überraschend wandelbare Wand.
Premiere: 25. März 2023
Audio
Werkeinführung in 2 Minuten: Flight of Fancy
Pressestimmen
Wubkje Kuindersma, Johan Inger »Flight of Fancy« (01.05.2023)
Ein Wiegen, Schwimmen, Schweben. In Wubkje Kuindersmas »Resonance of Dreams« verwandelt sich das Kieler Ballettensemble in einen Schwarm, der sich zu den Klängen von Friedrich Heinrich Kern, Georgs Pelēcis, Alfred Schnittke und Pēteris Vasks organisch bewegt, mal synchron, mal bewusst gegenläufig, ein einziges An- und Abschwellen, vor dem Marina Kadyrkulova solistisch brillieren kann. Abstrakte Traummotive choreografiert Kuindersma hier, stilbewusst, analytisch genau, mit Gespür für starke Bilder, manchmal aber auch hart an der Grenze zum Kitsch.
Wenn etwa die Tänzer*innen über den spiegelnden Boden von Tatyana van Walsums Bühne gleiten, dann hat hat das nichts von träumerischer Schwerelosigkeit, sondern erinnert mehr an die gleichzeitig artistische wie kalte Virtuosität eines Wettbewerbs im Eiskunstlauf. Wobei Kuindersma eine wirkungsvolle Strategie hat, solche Bilder wieder zu erden: Sie baut Humor in ihre Choreografie ein, der auch die ärgste Konventionalität (die Gothic-Ästhetik herabhängender Engelsschwingen!) wirkungsvoll abfängt.
Gekoppelt ist »Resonance of Dreams« mit Johan Ingers 2001 beim Nederlands Dans Theater uraufgeführtem »Walking Mad«, dem man zwar sein Alter ansieht, das aber nicht zuletzt durch den sensationellen Einsatz der (von Inger selbst gestalteten) Bühne und das sportive Engagement des Kieler Ensembles überzeugt. Zumal Inger in die Mitte einen ästhetischen Bruch eingebaut hat, der in seiner Radikalität nur funktioniert, weil das Stück als Ganzes so raffiniert konstruiert ist.
tanz - Falk Schreiber
Ballett Kiel bietet Tanzfest mit frischer und präziser Compagnie (27.03.2023)
"Wie beiläufig entstehen die Bilder, brilliert das Ensemble einmal mehr mit stupender Vielseitigkeit und großer Offenheit für neue Formen. Sie tauchen hervor wie aus einer anderen Welt, lichte Gestalten, mal flächig durchmischt, mal wie Kontrahenten in starrer Front eingefroren - bis sich alle wieder im luftigen Miteinander auflösen. (...)
In Wubkje Kuindersmas Tanz haben alle Stile Platz, puzzeln sich die Versatzstücke zur wundersamen Einheit zusammen; harmonische Neoklassik, bodenhaftender Modern Dance, lässig-ironisches Show-Posing. (...) Und dazwischen arbeitet die famos zwischen Spannung und Ruhe flirrende Marina Kadyrkulova als magisches Flügelwesen mit schleppendem Schritt gegen die Drehbühne an. Alles ist möglich in diesen tiefleichten Traumbildern, in deren Abstraktheit gleichwohl eine ewig-allgemeinmenschliche Suchbewegung aufscheint.
Nach der Pause ist dann alles Kontrastprogramm in Johan lngers aufgeladener Choreografie "Walking Mad", die seit ihrer Uraufführung 2002 weltweit gefragt ist. Geradezu brachial wirkt nach Kuindersmas Flüchtigkeit die exzessive Körpersprache, die der schwedische Choreograf zu Maurice Ravels "Bolero" entwickelt hat. Ein wildes erdiges Stück ist so entstanden, das von Frauen und Männern erzählt - und von der Gewalt, die mit im Spiel ist. (...) Leisa Martinez Santana und Pedro Pires liefern sich einen mutwillig zwischen Spiel und Erotik austarierten Pas de deux, Didar Sarsembayev und Erika Asai glänzen als luftige Gegenspieler. (...)
Und so unterschiedlich die beiden Choreografien, so sicher wachsen die Gegensätze des Abends zur Ganzheit zusammen. In einer Art sich vielfach kommentierendem Spiegelkabinett. Und ein Tanzfest mit einer so frischen wie präzise eingespielten Compagnie. Großer Applaus."
Kieler Nachrichten - Ruth Bender