Deutschstunde
Spieldauer: ca. 90 Minuten, keine Pause
Siggi lebt in einer Anstalt für schwer erziehbare Jungs. Im Deutschunterricht soll er einen Aufsatz über die Freude an der Pflicht schreiben. Doch Siggi bringt keine einzige Zeile zu Papier. Er wird bestraft, weil er ein leeres Aufsatzheft abgibt und kommt in den Arrest. Dort beginnt er zu schreiben – einen Aufsatz über Pflichterfüllung im Dritten Reich. Siggis Vater ist Dorfpolizist in Schleswig-Holstein, im »nördlichsten Polizeiposten Deutschlands«. Auf Befehl des Nazi-Regimes setzt er ein Arbeitsverbot gegen den expressionistischen Maler Nansen durch – obwohl er Nansen lange kennt und dieser ihm sogar einmal das Leben gerettet hat. Siggi zweifelt, dass sein Vater das Richtige tut und beschließt, Nansen zu helfen. Inzwischen frisst sich der Terror der Nazis in Siggis Familie hinein und Siggis Bruder greift zu drastischen Mitteln, um sich einem drohenden Kriegseinsatz zu entziehen.
Bei Siegfried Lenz (1926–2014) wird aus der Pflicht zum Gehorsam eine Pflicht zum Widerstand – in einer Welt, in der das Unrecht regiert, ist der Einzelne in der Verantwortung seinem Gewissen zu folgen. Aber Siggi muss erleben, wie seine Familie am blinden Gehorsam des Vaters zerbricht.
Premiere: 29. August 2021
Aktuell disponieren wir die Spieltermine monatlich, sie werden immer am letzten Dienstag eines Monats für den übernächsten Monat im Leporello veröffentlicht.
Furioses Duett (01.09.2021)
Der Regisseur Johannes Ender, der schon mit seiner Fassung von Max Frischs „Homo Faber“ am Schauspielhaus ein Händchen bewies für die Dramatisierung großer Romane, hat Lenz auf einige wenige Episoden konzentriert, lässt sie aus dem Diffusen von Siggis Erinnerungsmeer aufsteigen, sich vordrängeln, Bild werden, erklären. Das verdankt sich aber auch dem ausgesprochen starken Schauspielerinnen-Duo, das sich hier ein furioses Duett liefert. Einerseits festgelegt in den Rollen von Jepsen (Windhab) und Nansen (Frank), erwecken die beiden auch all die Kopfgeburten und inneren Stimmen von Siggi zum Leben. [...]
Elisabeth Frank fühlt sich tief ein in die Verletzlichkeit der Kinder- und Nansens Künstlerseele, kann sich aber auch das Hemd um den Leib zurren wie eine Schürze und dahinter erstarren wie Siggis Mutter im Panzer ihrer Engstirnigkeit. Oder fast verschwinden in der Angst wie der große Bruder, der sich lieber in den Arm schießt, als in den Krieg zu ziehen. Patricia Windhab imaginiert unterm Sakko ganz leise die junge Liebe von Siggis Eltern, schafft ihnen ein anderes Ich. Und sie ist ein Jens Jepsen, der, zunächst noch ambivalent zwischen Gefühl und Pflicht, sich zusehends im Trotz des Erfüllungsgehilfen festfährt.
Kieler Nachrichten - Ruth Bender