Eine nicht allzu weit entfernte Zukunft. Bea, Laborantin in einer großen Klinik, arbeitet in einer Wachstumsbranche: Seit kurzem gibt nämlich ein einfacher Bluttest Auskunft über Erbkrankheiten, Gendefekte und die Wahrscheinlichkeit psychischer und körperlicher Erkrankungen und errechnet einen Gesamtwert auf einer Skala von eins bis zehn. Was als Fortschritt für die individuelle Gesundheitsvorsorge gedacht ist, wirkt sich schnell auf alle Lebensbereiche aus: Der Traumjob, ein Date, der Kredit fürs Eigenheim, nichts geht mehr ohne ein gutes Rating – und wäre es nicht am humansten, Menschen mit schlechten Erbanlagen pflanzten sich gar nicht erst fort? Bea (7,1) und ihrem Freund Aaron (8,9) hingegen stehen alle Türen offen. Als Beas Freundin Char nur auf 2,2 getestet wird, entdeckt Bea einen lukrativen Nebenerwerb.
Das mehrfach ausgezeichnete Debütstück der jungen englischen Autorin beschreibt ein dystopisches Zukunftsszenario vom gläsernen Menschen und der perfiden Selektion des Nichtperfekten.
Premiere: 13. Oktober 2024 (Studio Schauspielhaus)
Wir möchten Sie daruf hinweisen, dass in der Inszenierung Suizid, unheilbare Krankheiten und Kindstötungen thematisiert werden.
Pressestimmen
Echo im Kopf (01.11.2024)
Doch an diesem Abend fehlt die mäßig schützende Scheibe der Distanz: Das klinische Bühnenbild von Marvin Ott wird bereits in den ersten Momenten durch rote Blutproben chaotisiert, die Bea (Claudia Friebel) hektsich zusammenklaubt, damit das anfängliche Gefühl von einengendem Krankenhauscharisma alsbald zurückkehrt. Friebels Performanz reißt das Publikum sofort hinein in Beas Strudel aus rebellischem Wankelmut, unbändiger Emotion und knallharter Konformität.
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Rebekka Wursts energetische Bühnenpräsenz komplementiert ihre unkonventionell agierende Figur.
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Unter Marie Schwesingers Regie ist ein Schauspiel entstanden, was noch Wochen später als Echo im Kopf nachhallt. Ein Stück, was überragend den Zeitgeist trifft und beizeiten sprachlos macht mit seiner unnachgiebigen Frage nach einer lebenswerten Zukunft.
Der Albrecht - Lena Felgendreher
vier starke Darstellerinnen und Darsteller (15.10.2024)
Dabei kann sich Schwesinger auf vier starke Darstellerinnen und Darsteller verlassen. In trendig von OP- und Laborkitteln inspirierten Klamotten (Marvin Ott) tänzeln sie zwischen Lüge, Anpassung und Protest – immer auch Probanden im sich perfektionierenden System. Vor allem Claudia Friebel macht in ihrem differenzierten Spiel den Prozess an Bea erschreckend plausibel. Eine, die erst noch zweifelt am Rating, dann darin Beruhigung findet und sich ihm zusehends ergibt. Am Ende hat sich ihr Gesicht längst zur Maske versteinert.
Daneben lässt Rebekka Wurst Char zwischen Emotion und Erkenntnis pendeln, sucht Rudi Hindenburgs Aaron schnoddrig und aufbrausend seinen Platz in Beas Leben – nur um an der eigenen Angst zu scheitern. Und dazwischen zieht David, der Pförtner, seine Kreise. Ein Schatten, den Philipp von Schön-Angerer genauso zeigt: vielleicht allwissender Big Brother oder doch nur der Aussteiger im System.
Kieler Nachrichten - Ruth Bender