Labyrinth der Träume
Spieldauer: ca. 1 Stunde 45 Minuten, eine Pause
Yaroslav Ivanenkos neues Ballett ist von gleich zwei Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts inspiriert. Der eine ist der Maler Salvador Dalí mit seinen surrealistischen Bildern. Häufig verschwimmen darin innere und äußere Welt. Unbewusstes, Absurdes und Phantastisches dominieren. Der Betrachter wird durch optische Täuschungen und rätselhafte Symbole herausgefordert. In seinem Ballett begibt sich Ivanenko auf Spurensuche im Leben und Werk des exzentrischen Künstlers.
Begleitet wird diese durch zwei der wohl berühmtesten Ballettmusiken des Komponisten Igor Strawinsky: »Le Sacre du printemps« und »L’oiseau de feu«. Das Ballett »Le Sacre du printemps« verursachte bei seiner Uraufführung 1913 in Paris einen wahrhaften Skandal. Zu modern schien die Musik von Igor Strawinsky, an der vor allem die expressive Rhythmik, die dissonanten Klänge und die schrille Instrumentierung kritisiert wurden. Doch schon kurze Zeit darauf avancierte sie ebenso wie seine anderen Ballettmusiken zu seinen erfolgreichsten Kompositionen.
Premiere: 5. November 2022
Einblick in eine Künstlerseele (08.11.2022)
Wie er so dasitzt in seinem großen Sessel, der alte, spirrelige Mann, so einsam und verloren in seinem weiten Mantel aus Leopardenfell-Imitat (Dalí hielt sich einen zahmen Ozelot als „Haustier“…), gezeichnet von der Parkinson-Erkrankung – schon das rührt an, gleich zu Beginn des Abends, den der Kieler Ballettdirektor und Chefchoreograf Yaroslav Ivanenko dem spanischen Maler Salvador Dalí (1904 – 1989) gewidmet hat. Umgeben von weiß maskierten Gestalten erinnert sich dieser an sein langes, von vielen Wechselfällen geprägtes Leben. „Labyrinth der Träume“ hat Ivanenko diese Reise in das Seeleninnere des exzentrischen Surrealisten genannt – und tatsächlich gelingt ihm hier eine vielschichtige Erkundungstour, die sich chronologisch im Rückblick an den wesentlichen Stationen in Dalís Leben orientiert. […]
Einen großen Anteil daran hat das phänomenal tanzende gesamte Ensemble, dem man die exzellente Arbeit der früheren Hamburger Ersten Solistin Heather Jurgensen als Ballettmeisterin ansieht. Pedro Pires tanzt seinen Part als Dalí absolut makellos – dennoch darf er seiner Darstellung noch etwas mehr Magie und Exzentrik einhauchen, etwas mehr Selbstgefälligkeit auch, die dem spanischen Maler ja durchaus zueigen war. Leisa Martínez Santana ist eine hingebungsvoll-charmante Gala, die erst im zweiten Teil auch ihre herrisch-dominante Seite zeigt. Emma Francesca Lucibella konturiert Dalí als Kind mit großem Charme und tänzerischer Delikatesse. Christopher Carduck als alter Dalí vermittelt dessen Gebrochenheit überzeugend.
Einen großen Anteil am Gelingen des Stücks haben jedoch auch die anderen Beteiligten: allen voran Benjamin Reiners, in dessen Händen die musikalische Leitung lag und der das Philharmonische Orchester Kiel sicher durch die schwierige Partitur von Strawinskys „Feuervogel“ (Teil 1) und „Le Sacre du Printemps“ (Teil 2) führte. Das Orchester spielte die beiden anspruchsvollen Stücke grandios und wurde vom Publikum zu Recht gefeiert.
Nicht minder großartig das Bühnenbild von Eva Adler und die Kostüme von Angelo Alberto, die sich beide phantastisch ergänzten und vielerlei Anspielungen auf Dalís Kunst enthielten, ohne sie je zu kopieren oder zu plagiieren.
Mit dem „Labyrinth der Träume“ ist dem Ballett Kiel etwas gelungen, was es selten gibt: ein auf allen Ebenen – Tanz, Musik, Bühne, Kostüme – einander ebenbürtiges Gesamtkunstwerk. Bravo!
tanznetz - Annette Bopp