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Eugène Scribe
Fromental Halévy

Die Jüdin

Große Oper in französischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Spieldauer: ca. 3 Stunden 40 Minuten, zwei Pausen (nach dem ersten und nach dem dritten Akt)

1414 beim Konzil in Konstanz treffen zwei Männer aufeinander, die eine geheime, dunkle Vorgeschichte miteinander verbindet: der römische Kardinal Brogni und der jüdische Goldschmied Eléazar, der Brogni seit langem Rache für die Hinrichtung seiner Söhne und die Verbannung aus Rom geschworen hat. Eléazars Tochter Rachel wiederum verbindet eine geheime Liebe zu dem jüdischen Maler Samuel, hinter dem sich niemand anders als der christliche Reichsfürst Léopold verbirgt, der eigentlich mit Eudoxie, der Nichte des Kaisers verheiratet ist. Eine verhängnisvolle Verkettung von Umständen führt dazu, dass Brognis Grausamkeit zu Eléazars Rache werden kann ...

Eine Oper über Fanatismus und religiöse Intoleranz, über gesellschaftliche und persönliche Ausschlussmechanismen, die in ihrer Schonungslosigkeit heute mindestens so beeindrucken und verstören kann, wie bei ihrer Uraufführung in Paris 1835. »Ich bin ganz hingerissen von diesem wundervollen, großartigen Werke und zähle es zu dem Höchsten, was je geschaffen worden ist.« Kein Geringerer als Gustav Mahler lobte »Die Jüdin« auf so enthusiastische Weise, und selbst der eingefleischte Antisemit Richard Wagner zollte Halévys Grand Opéra begeistert Respekt. Höchste Zeit also, dass dieses musikalisch wie thematisch relevante Werk nach neun Jahrzehnten endlich zurück auf die Kieler Opernhausbühne findet.

Premiere: 26. März 2022

Einführung jeweils 45 Minuten vor Vorstellungsbeginn im 2. Foyer

Audio

Werkeinführung in 2 Minuten: Die Jüdin

Pressestimmen

Oper, die unter die Haut geht (28.03.2022)

Die spannungsvolle Neuinszenierung der Opernrarität „La Juive“ von Fromental Halévy entwickelt aus einer Art Puppenhaus-Perspektive (Bühne: Valentin Mattka) ein unter die Haut gehendes Lehrstück über das fatale Ineinandergreifen von persönlichem Rachedurst und kollektiv aufkochendem Hass.
Die Gastregisseurin Luise Kautz trifft am Theater Kiel genau den wunden Punkt eines inzwischen wieder etwas häufiger gespielten Schlüsselwerks der Operngeschichte, in dem zwei jüdische Werkväter, der Texter Eugène Scribe und der komponierende Kantorensohn Halévy, das gegenseitige Hochschaukeln von Antisemitismus und Christenhass in einer persönlichen Fehde spiegeln. [...]
Der vieldrangsalierte jüdische Goldschmied Éléazar hat durch ihn seine Söhne verloren. Der russische Tenor Anton Rositskiy zeichnet ihn maximal intensiv mit mal mutig fahlen, mal metallisch hell aufflammenden Tönen als durch und durch unverzeihlich Gestimmten. [...]
Mit raumgreifend großem, warm und vielfarbig timbriertem, auch zu gleißender Höhenattacke fähigen jugendlich-dramatischem Sopran liefert die Französin ['Angélique Boudeville, d. Red.] als Rachel die allerschönste Textmelodie- und Gesangsleistung des Abends. [...]
Dirigent Daniel Carlberg und die Kieler Philharmoniker unterstreichen all das mit trockenen Schlägen, betörenden Holz- und Blechbläsersoli und packender, immer nervöser treibender Dramatik.

Kieler Nachrichten - Christian Strehk

Düsteres Spektakel mit klarer Botschaft (25.03.2022)

Was die Inszenierung so bedrückend macht: Nicht nur Kulissen und Kostüme sind zeitlos, sondern auch das Geschehen. [...]
"Die Jüdin" ist ein düsteres Spektakel mit riesigem Ensemble, gewaltiger Musik und einer klaren Botschaft: Antisemitismus gab es schon immer. Er zieht sich wie eine Konstante durch die Jahrhunderte bis heute. Zeit, dass sich das ändert.

NDR online und Hörfunk - Lina Bande

Ein großer Wurf (29.03.2022)

Mit erschreckendem Realismus wird in den fünf Akten von Fromental Halévys einschneidender Grand opéra „Die Jüdin“ am Theater Kiel der unsägliche Weg in den Faschismus und auflodernden Antisemitismus dargelegt. Regisseurin Luise Kautz verlegt die ursprünglich im 15. Jahrhundert angesiedelte Opernhandlung in die Zeit kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Zwar werden insgesamt keine offenen Symbole gezeigt (Ausrufezeichen statt Hakenkreuzen), die Assoziationen sind jedoch eindeutig und unverkennbar, lassen aber gleichzeitig durch die offene Verschleierung auch geschickt Gegenwartsbezüge zu. Spätestens als der wütende Mob den steinernen Regierungssitz stürmt und demontiert, was – nicht zuletzt durch den beteiligten Schamanenhäuptling mit Megafon – an die Erstürmung des Kapitols in den USA im Januar 2021 erinnert, wird dies deutlich. Dass diese Form der Auslegung absolut glaubwürdig funktioniert, zeigt auch, wie aktuell Halévys 1835 uraufgeführtes Werk und Eugène Scribes Libretto noch heute sind. [...]

Halevys facettenreiche, ausdrucksstarke Musik intensiviert die Wirkung des Visuellen noch um ein Vielfaches. Das Philharmonische Orchester Kiel unter Daniel Carlberg bringt die Nuancen mit geladener Energie hervor. Der Chor meistert seine wichtige Rolle als immer bedrohlicher werdende Stadtbevölkerung mit Bravour.

concerti.de - André Sperber

Schlüssige Umsetzung dieses Meisterwerks (28.03.2022)

Halévys „La Juive“ von 1835 ist ein erschreckend prophetisches Werk. Es thematisiert – neben einer unmöglichen Liebesgeschichte und einem privaten Rachedrama – den Jahrhunderte alten Juden- und Fremdenhass. Durch alle fünf Akte dieser „Grand Opéra“ zieht sich in den Chorszenen die Ablehnung der Juden. Regisseurin Luise Kautz zeigt eindrücklich, wie eine Masse außer Kontrolle geraten kann. Sie hat hier auch besonders gut mit dem bravourösen Chor der Oper Kiel an der Mimik der Sänger gearbeitet. Sie drücken Zynismus, Häme und Fanatismus aus. [...]
Ungeheuer eindrücklich und facettenreich gestaltete der Tenor Anton Rositskiy die enorm herausfordernde Tenorpartie des Éléazar, Verzweiflung, Ausweglosigkeit, aber auch die Verbohrtheit der Rolle vermittelte er glaubhaft. Auch dem kurzfristig eingesprungenen Tenor Thomas Paul als Fürst Leopold gelang die stilistisch so spannende Mischung von Belcanto-Schmelz und heldentenoralen Ausflügen. Und Angélique Boudeville als Rachel in der Titelpartie brillierte mit ihrem gleichermaßen volumenreichen, aber auch flexiblen Sopran. [...]
Mit Daniel Carlberg [...] stand ein in der französischen „Grand Opéra“ erfahrener Dirigent am Pult des stilkundig vorbereiteten Philharmonischen Orchesters Kiel. Er sorgte für energetischen Puls und packende Dramatik, sowie für Intensität in den nachdenklichen Pianopassagen. Luise Kautz gelingt in ihrer Neuinszenierung von Frommental Halévy „La Juive“ in Kiel mit der klaren Personenprofilierung und der Zuspitzung der Aggressivität der Massen in den Chorszenen eine sehr schlüssige Umsetzung dieses Meisterwerks der 19. Jahrhunderts.

Deutschlandfunk, Musikjournal - Elisabeth Richter

Großer musikalischer Abend (30.03.2022)

Die Opernregisseurin Luise Kautz, hat diese Widersprüche stark herausgearbeitet, sie zum Mittelpunkt ihrer Regie gemacht. Schon früh spaltet sie die Bürgermasse, lässt Parteigänger und Mitläufer erkennen sowie wenige, die nachdenken. [...]
Das ist erregend zu sehen, hat aktuellen Biss, zumal Luise Kautz einen zweiten Trick anwendet. Ständig verändert sie die zeitliche Verortung, verkürzt immer mehr den Abstand zum Hier und Jetzt. Das wird vor allem an den ausgefeilten Kostümen von Hannah Barbara Bachmann deutlich. [...]
Allein der Zuschnitt der Kleidung wandelt sich im Laufe des Stückes, rückt das Geschehen immer näher in unsere Zeit. So bekommen die marodierenden Bürger zum Ende hin das Aussehen von Reichsbürgern, Spaziergängern oder Menschen ähnlicher Couleur. [...]
Das Tun des Regieteams überzeugt, das in Kiel bei anderen Produktionen schon zusammen gestaltete. Es bietet eine stringente Deutung, in allen Bereichen sich unterstützend. Sie wird zudem von der teils grandiosen Leistung der Sänger noch gestärkt. Vor allem die von Anton Rositskiy sei hervorgehoben. Er stattet Éléazar mit seinem farbigen, zu vielerlei Ausdruck fähigen Tenor aus, ob im Solo oder in verschiedenen Duetten oder Ensembles. [...]
Den Chor hatte Gerald Krammer so sicher einstudiert, dass er seinen vielen Aufgaben in jeder Szene klangschön nachkommen konnte. So war das zu erleben, was vor allem zur Grand opéra gehört, ein großer musikalischer Abend, den Daniel Carlberg differenziert leitete und den das Philharmonische Orchester mit Klangschönheit und Farbigkeit unterstützte.
Diese Inszenierung wurde nicht nur ein Plädoyer gegen Antisemitismus, sie war weit vielschichtiger, ein Plädoyer gegen jegliches Machtgetue, wie wir es zurzeit so grausam erleben.

nmz online - Arndt Voß

Glanzleistungen (13.04.2022)

Wer hier Bertolt Brechts „Episches Theater“ assoziiert, liegt völlig richtig, denn die Inszenierung von Luise Kautz arbeitet mit Verfremdungseffekten, die in idealtypischer Weise aus einem angedeuteten Spätmittelalter über die Zeit des Faschismus direkt in die Jetztzeit führen. Die ganze Szenerie mit dem beweglichen Bühnenbild von Valentin Mattka belässt Hauswände, Architekturversatzstücke und Innenräume ganz bewusst als Kulissen, die fast tänzerisch hin- und hergeschoben werden und sich immer wieder neu formieren. Das schafft sowohl Offenheit und Dynamik als auch Intimität, je nach Bedarf und Handlung. [...]
Entgegen einer möglichen naturalistischen Darstellung schaffen die Kulissen nie eine wirkliche Illusion, was auch durch die Mischung der Kostüme aus verschiedenen Zeiten unterstrichen wird. [...]
Solisten, Chor und Orchester bieten eine großartige Gesamtleistung und – bei aller Dramatik – einen musikalischen Hochgenuss. Die Oper, deren Musik noch viel Rossini und Meyerbeer atmet, ist voller „Nummern“ wie die Werke von Bizet, Verdi oder Donizetti; auch hier brillieren damit die Solisten, liefern aber auch in den zahlreichen Duetten und vor allem Terzetten Glanzleistungen ab. Dazu kommt ein präsenter und exakt singender Chor (Einstudierung Gerald Krammer), alles zusammen mit dem kraftvollen Orchester unter dem Dirigat von Daniel Carlberg.

Klassik-begeistert.de - Dr. Andreas Ströbl

Überwältigendes Ereignis (01.05.2022)

Dass diese Opernpremiere ein so großer Erfolg beim Publikum war, ist auch das Verdienst von Daniel Carlberg […]. Es ist bewundernswert, wie er die Chormassen bei den großen dramatischen Höhepunkten steuert und mit dem Philharmonischen Orchester in Einklang bringt.
Für eine so anspruchsvolle Oper braucht man auch hervorragende Gesangssolisten, und die stehen der Oper Kiel sehr wohl zur Verfügung. In der Titelpartie ist die Französin Angélique Boudeville zu hören, die in Kiel zum ersten Mal als Gast auftritt. Ihr wundervoller lyrischer Sopran hat Leuchtkraft und überzeugt auch in den höheren Lagen mit Substanz. Die Rachel mit ihr zu erleben, ist ein überwältigendes Ereignis!
In gewisser Weise könnte man sagen, dass das Volk der Hauptakteur ist, denn dessen Wankelmütigkeit und Manipulierbarkeit stehen immer wieder im Mittelpunkt. Luise Kautz verlegt die Handlung deswegen auch von Konstanz, dem Konzil von 1414, in unsere Zeit an einen beliebigen Ort. Besonders deutlich wird die Aktualität ihrer Inszenierung, wenn sie eine wild revoltierende Masse mit einem Schamanen zeigt, in Anspielung auf den Sturm der Trump-Fanatiker auf das Capitol am 6. Januar 2021.

Das Opernglas - Jürgen Gahre

Zwischen Spielopern-Leichtigkeit und Grand-Opéra-Herrlichkeit perfekt ausgependelt (01.06.2022)

Doch das Potenzial zur Aggression schwelt stest unterschwellig […]. Luise Kautz verdeutlich diese latente Gefahr zunächst in humorigen Andeutungen, wenn sie die der Grand Opéra gattungsimmanenten Tableaus in ihrer szenischen Statik zwar grundsätzlich ernst nimmt, aber in kleinen Gesten des im trachten-Volkstümlichkeit gewandeten Chors der Christen die Boshaftigkeit des Kollektivs andeutet […]
Wie sich die Bilder und die geradezu archaischen Mechanismen durch die Zeiten hindruch gleichen, verdeutlich Hannah Barbara Bachmann in ihren Kostümen. Die Soldaten erscheinen mit Pickelhaube, der Schultheiß der Stadt Konstanz und die Vertreter des kaiserlichen Heers tragen verdächtige Armbinden, auf denen Ausrufezeichen statt Hakenkreuze prangen. Als sich der fanatisierte wütende Mob im Schlussakt auf die Hinrichtung der Juden einstimmt, mischt sich auch jener Volksterrorist darunter, der Wikingerhörner auf dem Kopf trägt.
Wie Radikalisierung funktioniert, zeigt sie behutsam und in einfühlsamer Personenregie, die – ganz im Einklang mit Halévy – keiner schwarz-weiß Zeichnung bedarf. Denn auch der Jude Éléazar ist in seiner Unversöhnlichkeit gefangen und verbittert, was Anton Rositskiy mit seinem eindringlichen Tenor zwischen anrührendem lyrischen Schmerz und dunkel flammender Attacke sängerdarstellerisch grandios beglaubigt. Auch Angélique Boudeville ist mit ihrem, die Brust- und Kopfresonanzen ideal verschmelzenden, üppig blühenden jugendlich-dramatischen Sopran als Rachel ein Ereignis, das allein die Fahrt an die Kieler Förde lohnte.

Opernwelt - Peter Krause