Country Music
Spieldauer: ca. 60 Minuten, keine Pause
Der achtzehnjährige Jamie hat den Liebhaber seiner Mutter zusammengeschlagen, ein Auto geklaut und beim Versuch, Chips und Tequila zu besorgen, den Jungen hinterm Ladentresen schwer mit dem Messer verletzt. Jetzt ist er mit seiner Freundin Lynsey auf der Flucht: abhauen, von vorne anfangen, einen Job suchen, ein Haus am Strand beziehen. Die Illusion eines glücklichen Lebens. Neun Jahre später: Jamie sitzt im Knast. Um seinen Stiefbruder Matty zu beschützen, hatte er einen Mann umgebracht, den er für einen Kinderschänder hielt. Zögernd erzählt Matty, dass Lynsey mit der gemeinsamen Tochter weggezogen ist und einen neuen Freund hat. Als Jamie mit 39 Jahren aus der Haft entlassen wird, sieht er seine Tochter Emma zum ersten Mal wieder. Inzwischen ist sie fast erwachsen und erinnert sich kaum mehr an ihn. Rückblende zu jenem unbeschwerten Tag vor der Flucht: Da waren Jamie und Lynsey so alt wie Emma heute, und alles hätte anders kommen können.
Der britische Erfolgsdramatiker Simon Stephens, dessen beeindruckende Stücke regelmäßig am Schauspiel Kiel auf die Bühne gebracht worden sind, entwirft in harter und klarer Sprache, aber gleichzeitig mit großer Sensibilität und poetischer Sogkraft Stationen eines tragisch gescheiterten Lebens. Ein intensives Kammerspiel über Sehnsucht und Gewalt, radikal geplatzte Träume und die leise Hoffnung auf ein besseres Schicksal.
Premiere: 29. Oktober 2021
Aktuell disponieren wir die Spieltermine monatlich, sie werden immer am letzten Dienstag eines Monats für den übernächsten Monat im Leporello veröffentlicht.
Audio
Werkeinführung in zwei Minuten: Country Music
Pressestimmen
Großartig (03.11.2021)
Nägelkauend zeigt Maximilian Herzogenrath einen eigentlich schüchternen Jungen als tickende Zeitbombe. Körperliche Gewalt ist für diesen Heranwachsenden immer eine Option, wenn Worte nicht reichen. Und Kommunikation ist die Schwachstelle aller Figuren dieses großartig gebauten Stückes, das wie ein Lückentext daher kommt. Die Leerstellen liegen dort, wo echte Nähe und Verständnis hergestellt werden könnten, sie erzeugen Pausen und spürbares Unbehagen. [...]
Und so bleibt alles Positive stecken in einer unseligen Sprachlosigkeit, die jede echte Annäherung unmöglich macht. Großartig.
Schleswig-holsteinische Landeszeitung - Sabine Christiani
Hochkomplexes Gefüge vom Aneinandervorbeileben (01.11.2021)
Nacheinander treten sie an wie Ersatzspieler auf dem Feld – jede und jeder ein neuer Versuch für Jamie. Sie kauen Bonbons und trinken Tee in versuchter Nähe. Sie begegnen sich in ruppig kargen Dialogen, fahren sich in Wiederholungen einzelner Wörter fest oder lassen die Sätze im Nichts verläppern. [...]
Und die Sitzmöbel, die Ausstatterin Tine Hielscher auf die Bühne gestellt hat, stehen dabei im Weg wie all die ungesagten Wahrheiten, die sich auf der Bühne zur unsichtbaren Masse verdichten. Klotzig und ungemütlich – kein Ort zum Verweilen. Die Geradlinigkeit, mit der Lisa Gappel das Stück inszeniert hat, mag auf den ersten Blick überraschen und ist auf den zweiten folgerichtig. Ganz sacht tauchen sie darin auf, die Splitter von ferner Nähe, die flüchtigen Momente, in denen sie einander unverhofft erkennen. Und fügen sich zu einem in seiner Schlichtheit hochkomplexen Gefüge vom Aneinandervorbeileben.
Kieler Nachrichten - Ruth Bender