Extrem laut und unglaublich nah
Mi | 19.02. | 20:00 | Restkarten | ||
Fr | 21.02. | 20:00 | Restkarten | ||
Mi | 26.02. | 20:00 | Restkarten | ||
So | 02.03. | 18:00 | Restkarten | ||
Sa | 22.03. | 20:00 | Restkarten | ||
Fr | 04.04. | 20:00 | Restkarten | ||
Sa | 12.04. | 20:00 | Restkarten | ||
Do | 17.04. | 20:00 | Restkarten |
11. September 2001. Der Terroranschlag auf das World Trade Center bringt Oskars Leben aus den Fugen. Als er von der Schule nach Hause kommt, ist er allein – nur der Anrufbeantworter blinkt: Es sind die letzten Nachrichten seines Vaters, den er nie mehr wiedersehen wird. Als er später zufällig einen Umschlag mit einem Schlüssel findet, erwacht in ihm neuer Lebensmut. Es muss ein Zeichen seines Vaters sein, eine geheime Aufforderung – so wie sie früher immer miteinander gespielt haben: eine Expedition! Oskar versucht herauszufinden, was es mit dem Schlüssel auf sich hat. Sein abenteuerlicher Weg führt ihn quer durch New York City und die große Einsamkeit, die Oskar quält, wird von Tag zu Tag kleiner.
Jonathan Safran Foers Roman erinnert an einen markanten Punkt der Weltgeschichte. Durch die Augen eines kleinen Jungen schaut er der Gesellschaft ins Gesicht und spürt ihre Verletzungen, Sehnsüchte und Schmerzen auf. Eine berührende Reise, die hinterfragt, welche Beziehungen Bedeutung haben und was uns in Erinnerung bleibt, wenn wir alles verlieren.
Premiere: 24. Januar 2025 (Schauspielhaus)
Pressestimmen
Schauspieler:innen glänzen (27.01.2025)
Die Geschichte der Großeltern zeigt eindrücklich, wie sich Traumata über Generationen hinweg fortsetzen. Ihre Art der Bewältigung steht in direktem Kontrast zu Oskars rastloser Suche nach Antworten. Während die Großeltern in Sprachlosigkeit und Isolation flüchten, sucht Oskar aktiv den Kontakt zu anderen Menschen.
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Eine echte Herausforderung, all das für die Bühne umzusetzen. Gelungen ist das dem Team des Theater Kiel einmal mehr großartig! Da ist der riesige, skelettale Turm als zentraler Ort des Geschehens, der natürlich für das eingestürzte World Trance Center steht – aber eben nicht nur. Da ist der ungewohnt breite Einsatz beinahe jeglicher technischer Tricks, die die Bühne im Schauspielhaus so vorsieht. Da sind die Kostüme der Hauptfiguren, die im Wesentlichen weiß oder schwarz, mit mal mehr, mal weniger ausgedehnten orangen Kontrastflächen, die nicht nur an Absperrband erinnern, sondern auch an Flugschreiber. Dabei fungiert das Orange als eine Art Übergangsfarbe zwischen Leben und Tod. Sie symbolisiert den Schwebezustand zwischen den Welten, in dem sich viele Figuren des Stücks befinden. Hier haben Nora Bussenius (Regie und Fassung), Sebastian Ellrich (Ausstattung) und alle weiteren Beteiligten Hand in Hand ein beeindruckendes und vor allem in sich stimmiges Bild erschaffen, in dem das Publikum versinken und die Schauspieler:innen glänzen können. Das gilt insbesondere für Zacharias Preen (Großvater) und Tristan Taubert (Oskar), die die tragenden Figuren des Stücks verkörpern und zu Recht mit langem und intensivem Applaus bedacht wurden. Einmal mehr zeigte sich aber vor allem, dass das Ensemble des Theaters als Team hervorragend harmoniert und jede Rolle hervorragend besetzen kann.
Bildmächtige Inszenierung (28.01.2025)
Nora Bussenius hat den Roman für das Kieler Schauspielhaus in ein Theaterstück überführt. Ihre aufregende, bildmächtige Inszenierung fächert das Schicksal von Oscar und seiner Familie auf in ein sehenswertes Kaleidoskop aus Gedanken und Emotionen – und in eine Zeitreise, die das Trauma in einen größeren Kontext stellt.
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Zacharias Preen [...] überzeugt hier mit leisen Tönen als gebrochener Mann. Auch Oscars Vater erwacht in der Erinnerung des Sohnes zum Leben. [...] Christian Kämpfer zeigt den Vater als kumpelhaften Typen, ein Fels in der Brandung von Oscars überbordender Fantasie. Die Rolle des Jungen, der Mutter (Jennifer Böhm) und Oma (Regine Hentschel) mit seinem Hang zum anstrengenden Aktionismus fordert, verkörpert ein hellwacher Tristan Taubert. Ob kindlich naiv und enthusiastisch, schutzbedürftig oder todernst – man glaubt ihm diesen Neunjährigen in jedem Moment. Großer Applaus.
Fesselnde Bühnenpräsenz (06.02.2025)
Tristan Taubert war am Theater Kiel bisher nur in Nebenrollen wie Officer Brophy in »Arsen und Spitzenhäubchen«, als Schaffner in »Der Besuch der alten Dame« oder als Benvolio in »Romeo und Julia« zu sehen. In der neuen Produktion von Regisseurin Nora Bussenius umgibt den 27-Jährigen eine unglaublich fesselnde Bühnenpräsenz. Dabei ist die Rolle, in die er zu schlüpfen hat, ganz und gar nicht einfach: Als neunjähriges, überdrehtes und traumatisiertes Kind gibt Oskar so viele Anmerkungen und Lexikoneinträge von sich, dass es im Grunde verwunderlich ist, dass Souffleuse Ilona Rückwardt nicht ein einziges Mal einspringen musste.
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Die Statist*innen sprechen nicht und werden stets von einem sprechenden Mitglied des sechsköpfigen Casts begleitet, das ihnen die Stimme leiht – in manchen Szenen gar puppenspielerhaft Bewegungen hervorruft. Ein besonderer Kniff der Inszenierung, der sehr gut funktioniert und das Stück durch ein ganz eigenes Brennglas der Traumabewältigung scheinen lässt.
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In Zeiten, in denen sich Anschläge zu häufen und die Gesellschaft sich zu spalten scheinen, entführt Nora Bussenius die Zusehenden mit »Extrem laut und unglaublich nah« am Kieler Schauspielhaus in eine oft verwirrende, aber dennoch nahbare Welt voller Ungewissheit und Existenzangst auf der Suche nach einem Happy End für Oskar.
Berührendes Zentrum des Abends (27.01.2025)
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Tristan Tauberts Oskar ist berührendes Zentrum des Abends, flirrend zwischen gnadenlosem Realitätssinn, nervösem Übersprung und ratloser Trauer. Ein altersloses Kind, das ein Erinnerungs- und Figurenkarussell in Gang setzt. Traum oder Realität, das ist hier stets die Frage. Und legt Spuren der Erinnerung, so diffus wie von bemerkenswerter Klarheit. Die Regisseurin entwirft eher Innenansichten der Figuren als äußere Handlung. Dabei kann sich Nora Bussenius auf ihr feinfühlig geführtes Ensemble verlassen – und auf die zwölfköpfige stumme Statisterie, die den diversen Blacks mit einem Nicken, Lächeln oder Blick Gesicht gibt. Eine geisterhaft präsente Menschheitsgalerie. Zwischen flüchtiger Begegnung und versuchter Nähe bleibt das Spiel in der Schwebe; eine bleierne Zeit, in der sich die Akteure fast schwerelos bewegen. Großartig Zacharias Preens beiläufig somnambules Spiel, wenn er den sprachlosen Großvater in seine Erinnerung tauchen lässt, eingesponnen in einen Kokon aus Einsamkeit und Trauer. Ähnlich präsent überzeugt auch Regine Hentschels koboldig zugewandte Großmutter, die für Oskar immer ein Ohr hat.
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So wogt der Abend zwischen Hell und Dunkel – getragen von Daniel Dorschs untergründiger Klanglandschaft, die von beunruhigenden Geräuschen bis zur lichten Choral-Version von »Yellow Submarine« reicht. Eine Tauchfahrt durch die Stadien von Verlust und Trauer, die gerade in ihrer zurückhaltenden Emotionalität tröstliche Leuchtkraft entfaltet. Großer Applaus.
Kieler Nachrichten - Ruth Bender